Keine leichte Kost bekamen die Zuhörer bei der Autorenlesung von Wolfgang Hammer serviert, die kürzlich im Stüberl des Burgmuseums Mitterfels stattfand. Eingeladen hatten der AK Heimatgeschichte und der bayerische Wald-Verein Mitterfels.
(Aus: Straubinger Tagblatt, 26. November 2015, S. 18)
Wolfgang Hammer, Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte, war Beratungslehrer und ist ausgebildeter Psychotraumaberater. Unter dem Pseudonym Wolf Hamm beschäftigt er sich in dem Buch „Ich will doch noch leben – eine Kindheit nach 1945“ mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges.
Zuerst ein leises Klimpern auf dem Klavier, das die Zuhörer aufhören lässt, dann immer dringlicher die Melodie von „Maikäfer flieg, der Vater ist im Krieg ..“, abgehackt klingt das, traurig, verzweifelt. So traurig und verzweifelt wie das Leben der Familie Angsterer, von der erzählt wird. Vater Adam kehrt traumatisiert aus dem Krieg zurück, Mutter Désirée leidet unter ihrer Gehbehinderung und flüchtet in die Welt der Bücher, und Sohn Wolfram stößt in Familie und Gesellschaft überall auf Reste der Vergangenheit.
Das ist schwer für den Jungen, denn der Vater prügelt, die Mutter ist nicht wirklich anwesend, und Freunde, die Halt geben könnten, gibt es nicht. Schließlich gelingt es Vater Angsterer, als angesehener Fotograf in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Doch als sich herausstellt, dass die Mutter während des Krieges eine Liäson mit einem amerikanischen Besatzungssoldaten hatte, und Wolfram vielleicht nicht Adams Sohn ist, bricht die Welt der Familie gänzlich zusammen.
In Bild und Wort schildert Hammer die Grausamkeiten des Kriegsalltags an der Front, spielt mit der Stimme, wenn er von den Stammtischlern der Nachkriegszeit erzählt, von Albträumen und Erinnerungen, die keiner hören will. Hammer malt auch ein Bild von der Einsamkeit des Jungen, der fettleibig geworden ist und eine Enttäuschung nach der anderen erlebt. Dass Wolfram den Selbstmord seines Vaters überlebt, der den Sohn mit in den Tod nehmen will, verdankt er nur der Feigheit von Adam. Sein Aufschrei „ich will doch noch leben“ betitelt das Buch. Das Ende bleibt offen.
Wolfgang Hammer beschränkte sich an diesem Abend nicht auf eine reine Lesung. Er ging einmal auf die historische Situation im Nachkriegsdeutschland ein mit allgemeiner Existenzangst und Besatzern, die vergewaltigen, und schilderte zum anderen die Probleme traumatisierter Menschen. Hammer sprach von Gefühlsstau, von Panik und Vernichtungsängsten, die sich im Prügeln entladen, von Wutausbrüchen, die in Depression enden können. „Die dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltwahrnehmung macht krank“. Zum Schluss ein Fazit: Eine positive Bindung an eine Vertrauensperson kann solche Wunden heilen.
„Starker Tobak“, war der Kommentar von Martin Graf vom Wald-Verein mit einem Dank an den Referenten. Erinnerungen an die Schul- und Kriegszeit seien lebendig geworden, so Graf. Das Thema Kriegstrauma sei bis heute aktuell, aber auch die Menschen in der Burg hätten schlimme Zeiten erlebt. Das Buch ist in drei verschiedenen Ausgaben im Buchhandel erhältlich.