„Keine Naturkatastrophe“

Mitterfels. (erö) Am heutigen Freitag findet um 19.30 Uhr im Mondi-Haus eine öffentliche Diskussion zum Thema „Migration – eine Chance ?“ statt. Referenten sind die Juso-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann und der Historiker Wolfgang Hammer. Veranstalter ist der Interkulturelle Asylhelferkreis Mitterfels. In einem Interview sprach Johanna Uekermann über die spezielle Problematik beim Thema Flüchtlinge.

Die Flüchtlingsflut hat das gesellschaftliche Klima in Deutschland geändert. Wie sehen Sie diese Entwicklung und wie bewerten Sie sie ?

Johanna Uekermann: Ich tue mich schwer mit dem Begriff „Flüchtlingsflut“. Wichtig ist zuallererst daran zu denken, dass es Menschen sind, die bei uns Schutz suchen. Es bricht ja keine Naturkatastrophe über uns herein. Ich finde es großartig, wie engagiert viele bei uns die Flüchtlinge willkommen heißen und sie unterstützen, beim Deutsch lernen, bei Behördengängen und vielem mehr. Gleichzeitig macht mir Sorgen, dass es einige gibt, die versuchen Angst und Hass gegen Flüchtlinge zu schüren. Allen voran die AfD. Da müssen wir als Gesellschaft widersprechen.

Wie kann Deutschland das aktuelle Problem mit Flüchtlingen lösen, wie schaffen wir das ?

Uekermann: Die Bürger leisten vor Ort enorm viel, damit wir es schaffen. Was wir jetzt brauchen, ist mehr finanzielle Unterstützung, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Wir müssen investieren in neue Wohnungen, in Bildung und Integrationskurse. Das kommt allen zugute.

Wie sehen Sie die längerfristige Entwicklung Deutschlands in wirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht ?

Uekermann: Alles in allem steht Deutschland gerade sehr gut da. Sorgen mache ich mir um die ungleiche Verteilung von Vermögen in unserem Land. Wenn Leute das Gefühl bekommen, abgehängt zu werden, entsteht gesellschaftlicher Sprengstoff. Wir sollten dringend mehr tun, damit die Schere zwischen Arm und Reich sich wieder schließt. Unsere Zukunft ist aber auch sehr eng mit der Zukunft in Europa verknüpft. Wenn Grenzen in Europa geschlossen werden, leidet darunter auch der Warenhandel. Wenn andere Länder in Not geraten, leidet nicht nur deren Wirtschaft, sondern auch unsere. Wir sind also gut beraten, immer auch die Probleme unserer Nachbarn im Auge zu behalten. Das gilt für uns in Deutschland wie in Europa.

Die SPD befürwortet Waffenexporte. Wie lässt sich das mit einer Friedenspolitik verbinden ?

Uekermann: Die SPD setzt sich schon lange für eine restriktivere Waffenexportpolitik ein. Das ist ein guter erster Schritt. Langfristig finde ich, dass wir Waffenexporte generell verbieten müssen. Frieden schafft man nicht mit Waffen.

Sie haben ja ihre Heimat in Mitterfels und arbeiten viel in Berlin. Worin unterscheidet sich das Leben an den beiden Orten ? Wie wirkt sich das auf ihre Ideen aus ?

Uekermann: Es ist schon toll, in Niederbayern verwurzelt zu sein und sich im Kreistag um die Lage vor Ort zu kümmern, und regelmäßig auch Großstadtluft in Berlin schnuppern zu können. Was man sofort merkt: Da gibt’s natürlich ganz unterschiedliche Probleme. In Neukölln fährt die U-Bahn im Fünf-Minuten-Takt, in Mitterfels fährt der Bus nur wenige Male am Tag. Gerade für junge Menschen ist das oft ziemlich schwierig, denn ohne eigenes Auto kommt man bei uns nicht weit. Dafür explodieren in Berlin aber gerade die Mietpreise. In einem sind sich die Berliner und Niederbayern aber ganz ähnlich: Die Menschen wünschen sich gerade jetzt eine gerechtere Gesellschaft. Gute Arbeit, sichere Renten, eine gute Gesundheitsversorgung und mehr Geld für Bildung sind hier und da die bestimmenden Themen.

Wie können Flüchtlinge unser Leben in Deutschland bereichern ?

Uekermann: Die Menschen, die jetzt zu uns gekommen sind, werden unsere Gesellschaft an vielen Stellen bereichern. Zum einen kulturell, aber auch wirtschaftlich, mit neuen Ideen und Innovationen. Ich finde es gut, in einer vielfältigen Gesellschaft zu leben und immer wieder Neues kennenzulernen. Deshalb finde ich auch, es gibt keinen Grund zur Panik. Gemeinsam kriegen wir das hin.

Interview: Wolfgang Hammer

Straubinger Tagblatt 22.04.2016

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